Vom Kelchstein auf den Dhaulagiri

Einen Berg zu besteigen, dessen Gipfel zu erklimmen – das allein schon ist eine Leistung. Egal ob der Berg nun 3000 oder 6000 Meter hoch ist, oder ob es sich gar um einen der berühmt-berüchtigten 8000er handelt. Davon gibt es nur 14 Gipfel weltweit – 10 im Himalaya, 4 im Karakorum.

Die Erstbesteigung eines solchen Eisriesen ist nochmal eine Klasse für sich, ein Rekord, der so nicht wiederholt werden kann und für immer unumstößlich ist.

Weit vor meiner ersten Reise nach Nepal war ich bereits der Faszination erlegen, die diese Berge auf mich ausüben. Ich las unzählige Bücher und besuchte verschiede Vorträge zu diesem Thema. Als ich vor nunmehr 12 Jahren zum ersten Mal auf dem Dach der Welt war und den Mount Everest mit eigenen Augen gesehen habe, war es um mich geschehen. Ich habe es aus eigener Kraft und aufgrund der Höhenunverträglichkeit allerdings ‚nur‘ bis zu einer Höhe von 3.600 Metern geschafft. Aber allein diese für nepalesische Verhältnisse geringe Höhe hat mich alles an Kraft, Ausdauer und Leidensbereitschaft gekostet, was ich aufbringen konnte.

Um wieviel größer muss dies alles bei den Bergsteigern sein, die sich in eisige Höhen wagen – bis hinein in die Todeszone! Dies kann wohl kein Mensch ermessen, der es nicht selbst gewagt hat.

Mit diesen Überlegungen setzte ich meine Recherchen nach meiner ersten Nepalreise fort. Dabei stieß ich natürlich auf bekannte Namen und spannende Geschichten, aber auch auf eine große Überraschung.

Der Dhaulagiri war der erste entdeckte Achttausender der Welt und galt bis zur Vermessung der anderen Eisriesen als höchster Berg der Erde. Am Freitag, dem 13. Mai 1960 erreichte eine Expedition nach einer entbehrungsreichen Zeit an den Bergflanken und einem kräftezehrenden Aufstieg letztendlich den Gipfel des 8.167* Meter hohen Dhaulagiri.

Gemeinsam mit dem Österreicher Kurt Diemberger, den beiden Schweizern Albin Schelbert und Ernst Forrer sowie den beiden Sherpas Nawang Dorje und Nyima Dorje stand ein Mann auf dem Gipfel, dessen Anfänge des Bergsteigens im Zittauer Gebirge liegen – der damals 31-jährige Peter Diener aus Olbersdorf.

Er ist damit nicht nur der erste und einzige Deutsche, der jemals einen Achttausender erstbestiegen hat – Peter Diener hat dieses Ziel sogar ohne Zuhilfenahme von Flaschensauerstoff erreicht!

Ich bin voller Respekt und verneige mich vor dieser großartigen Leistung!

Es macht mich unglaublich traurig, dass wir in einer Zeit leben, in der x-beliebige ‚Influencer‘ wie große Stars gefeiert werden, weil sie lediglich einen farbenfrohen Cocktail in einer angesagten Bar schlürfen und sich dabei in einem neuen Fummel einer bekannten Modemarke präsentieren. Was haben diese Menschen schon wirklich geleistet, wann haben sie jemals ihre Komfortzone verlassen?

Umso wichtiger finde ich es, dass solche herausragenden Leistungen, wie die von Peter Diener, immer wieder in Erinnerung gerufen werden. Dazu trage ich auch gern meinen Teil bei.

Das Olbersdorfer Publikum ist mir im Laufe der letzten Jahre besonders ans Herz gewachsen und es sind nahezu freundschaftliche Verhältnisse entstanden. In regelmäßigen Abständen durfte ich dort von meinen Reiseerlebnissen berichten. Als Zugabe nach meinem letzten Vortrag hatte ich mir eine Überraschung ausgedacht – eine Präsentationsfolie mit einer Erinnerung an Peter Diener.

Nur wenige konnten mit dem Namen etwas anfangen, war doch der berühmte Sohn ihrer Heimatstadt bereits in jungen Jahren in die Schweiz gezogen. Einige glaubten, sich zu erinnern. Zwei Tage nach dem Vortrag bekam ich eine Nachricht, dass es wohl noch jemanden aus der Familie in Olbersdorf gibt und ob man meine Telefonnummer und Adresse weitergeben kann. Dem habe ich selbstverständlich zugestimmt und nur wenige Tage später bekam ich Post – von Peter Dieners Schwester!

Ihre lieben Zeilen haben mich sehr berührt und bei dem darauffolgenden Telefonat war bereits eine Vertrautheit da, wie ich sie selten erlebt habe. Anni wollte natürlich wissen, wie ich ausgerechnet auf ihren Bruder gestoßen bin und ob wir uns vielleicht in Nepal begegnet sind. Fragen über Fragen von beiden Seiten, die am besten bei einem persönlichen Gespräch beantwortet werden können. Anni lud mich kurzerhand in ihr gemütliches Blockhaus am Fuße des Hochwaldes ein, wo wir in alten Zeitungsartikeln und Fotos stöberten und tief in die Geschichten aus Peters Leben eintauchten. Sie staunte nicht schlecht, als ich ihr erzählte, dass ich auch schon den Dhaulagiri mit eigenen Augen gesehen habe – allerdings nur von einem kleinen Gipfel aus, dem 3210 m hohen Poon Hill. Die Zeit verging wie im Flug. Erfüllt von dieser bewegenden Begegnung, voller Bewunderung für die Lebensleistung dieser so sympathischen und bescheidenen Familie und mit Vorfreude auf das nächste Treffen trat ich den Heimweg an… Es gibt noch so viel zu erzählen!

Herzlichen Glückwunsch zum 64. Jahrestag der Erstbesteigung des Dhaulagiri, lieber Peter! Du bist so hoch gestiegen und dennoch stets mit den Füßen auf dem Boden geblieben!

* Die Höhe des Dhaulagiri wurde zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich gemessen – zur Zeit der Erstbesteigung waren es 8.222 Meter.

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