„Im Himmel ist heute Jahrmarkt…“

Heidewitzka, war das eine chaotische Zeit! Mit dem Vollmond im Oktober ist das Dashain-Fest nun endgültig vorüber und das Leben in den Dörfern normalisiert sich wieder. Obwohl… kann man in Nepal überhaupt von ‚normal‘ sprechen?

Aber mal ganz von vorn. Ich hatte euch ja versprochen, etwas ausführlicher von diesem für alle Nepalesen so wichtigem Fest zu erzählen. Dieses ist der Göttin Dhurga gewidmet und soll den Sieg des Guten über das Böse symbolisieren. Jeder einzelne der 15 Tage hat eine ganz besondere Bedeutung, die sich wirklich nur dem ‚Fachmann‘ erschließt. Deshalb beschränke ich mich auch nur auf das, was ich selber gesehen und erlebt habe.

Auch für Nichtgläubige kündigt sich das Dashain-Fest bereits einige Tage vorher durch verschiedene Wahrnehmungen an. Man sieht große Herden von Ziegen, deren Hörner farbig markiert sind, durch die Dörfer ziehn; junge Männer schleppen bis zu zehn Meter lange Bambusstangen heran; in der Luft sieht man viele bunte Papierdrachen… Und auf den Straßen in Kathmandu geht es zu wie auf nem Jahrmarkt, so dass man für fünf Kilometer schon gut und gerne eine Stunde braucht – wohlgemerkt mit dem Auto! Aber auch zu Fuß wäre man nicht schneller, denn die Fusswege, so es welche gibt, sind voller Auslagen der unzähligen Straßenhändler.

An den ersten 8 Tage dieses Festes wird geschlachtet, was das Zeug hält. Aber nicht wegen des Fleisches, NEIN! Hier gehts um Blutopfer, um die mächtige Rache-Göttin Dhurga zu besänftigen. Mit dem Blut der geschlachteten Ziegen oder auch Büffel werden in in den Dörfern die Türstöcke bestrichen und selbst die nepalesische Luftwaffe ‚schützt‘ damit die Tragflächen ihrer Flugzeuge.

Ich persönlich halte, wie mittlerweile viele der jüngeren Generationen auch, nichts von derlei sinnlosem Gemetzel, respektiere aber die Sitten und Gebräuche meines Gastlandes. Nur aktiv daran mitwirken möchte ich nicht. Deshalb bin ich auch der großen Zeremonie in Kathmandu ferngeblieben, auch wenn es noch so reizvoll für meine Kamera gewesen wäre. Punkt Mitternacht der 8. Nacht des Festes werden auf einem geweihten Platz 108 Tiere (Büffel und Ziegen) geköpft, um die Köpfe und das Blut als Opfergabe der Göttin darzubringen. Das einzig Positive, was ich dem abgewinnen kann, ist die Tatsache, dass das Fleisch an Bedürftige verschenkt wird. Naja, zumindest hat man mir das so gesagt.

Nach dem großen Schlachten jedoch beginnt das eigentliche Fest. Die verbleibenden 7 Tage sind den Familien gewidmet. So findet nach einem strengen Plan jeden Tag im Haus eines anderen Familienmitglieds ein großes Festessen und eine Segenszeremonie, die so genannte Puja, statt. Es beginnt bei den Vätern bzw. Großväter und geht dann weiter angefangen vom ältesten Sohn bzw. Tochter bis zum Letztgeborenen. Das erklärt auch die vollen Straßen, denn es ziehen ganze Karawanen von Dorf zu Dorf, je nachdem, wo die Verwandten wohnen.

Das Essen ist üppig und im Gegensatz zu dem üblichen Dhaal Bhaat sehr abwechslungsreich. Dieses wird traditionell auf einem Teller aus Bananenblättern serviert. Um einen Haufen Reisflocken sind verschiedene kleine Häppchen unterschiedlichster Leckereien angerichtet. Diverse Gemüsesorten, Currys und Fleisch sowie scharfe Würzsaucen bescheren größte Gaumenfreuden. Bei den wohlhabenden Familien gibt es ausnahmsweise Bier und Säfte, die Ärmeren erfreuen sich an selbstgebrauten Reisschnaps.

Genauso wie bei der Planung der Familienfeiern selbst, gibt es bei solch einer Puja auch eine ganz strenge Hackordnung, die peinlichst eingehalten wird. Es beginnt damit, dass der Familienälteste auf einem Kissen Platz nimmt und, beginnend beim Jüngsten, seinen Kindern, Kindeskindern und Verwandten seinen Segen erteilt. Dabei drückt er diesen etwas von der roten Masse aus Reiskörnen, Bananenbrei und Farbpulver als Tikka auf die Stirn und überreicht eine Gabe , bestehend aus einem Geldschein, einem Stück Obst oder Nussen und ein keines Bündel des eigens zu diesem Zweck im Haus des Vaters gezogenem Reissprossen-Grases. Diese Gabe symbolisiert Reichtum, Gesundheit und den Schutz der Götter.

Wenn alle anwesenden Familienmitglieder durch sind, beginnt das Karusell von vorn, indem der älteste Sohn allen Jüngeren seinen Segen erteilt… dann der zweitälteste… und so weiter… Bei den recht umfangreichen Familien kann sich solch eine Zeremonie durchaus über mehrere Stunden hinziehen. Und die Tikka auf der Stirn kann dann schon mal handtellergroße Ausmaße annehmen.

Da mein Zimmer nicht nur den Notstromgenerator, sondern auch den Haustempel beherbergt, fand diese Puja ebenfalls darin statt. Um die 15 Leute saßen auf dem Fußboden oder auf meinem Bett und erfreuten sich an der Zeremonie. Ich bin ganz ehrlich, als das ganze Drama los ging, war ich alles andere als begeistert. Es herrschte eh schon eine stickige Luft im Raum, da die Sonne auf das unisolierte Dach knallte, und nun kamen nebst den ganzen Leuten auch noch etliche unverzichtbare Butterlampen und Räucherstäbchen dazu. Aber okay, ich habs mir ja so ausgesucht! Und aus meiner anfangs nur ‚guten Mine‘ wurde ganz schnell ein von Herzen kommendes Lachen. Die Familie hat mich wie eine Tochter bei sich aufgenommen, kümmert sich rührend um mich und läßt mich an all ihren Festen uneingeschränkt teilhaben. Und genau das erfüllt mich in solchen Momenten immer wieder mit tiefer Dankbarkeit und läßt mich die doch ungewöhnlichen und anstrengenden Umstände schnell vergessen.

… ach, da war doch noch was! Die Bambusstangen! Diese werden zu viert zu riesigen pyramidenartigen Gestellen zusammengebunden und dienen als glücksbringende Schaukel. Na wenn man auf solch herrliche Art seinem Glück auf die Sprünge helfen kann, da lass ich mich doch auch nicht lumpen!

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