Glücksmomente
Als ich vor wenigen Wochen meine Freunde vom Kung Fu Club wiedergesehen habe, fiel mir sofort ein neues Gesicht in ihrer Mitte auf. Zum einen, da der kleine Kerl keine Sportsachen anhatte, zum anderen, weil mich aus diesem rotzverschmierten Gesicht zwei recht intelligente, aber unendlich traurige Augen anschauten. Diese Augen haben mich die ganze Zeit nicht mehr losgelassen. Als der Kung Fu Master einige Bilder von den Kids und mir machte, setzte sich der kleine Kerl auch gleich auf meinen Schoß und kuschelte sich an mich.
Ich habe mich bei dem Trainer nach seiner Familie erkundigt und von deren schweren Schicksal erfahren. Die Eltern waren mit dem etwa 8jährigen Ashun vor 3 Jahren nach Budhanilkantha gezogen, um eine Chance auf Arbeit und somit auf ein besseres Leben zu haben. Bald wollten die Eltern soviel Geld verdienen, dass sie ihrem einzigen Sohn den Besuch der Schule ermöglichen können. Doch soweit sollte es nicht kommen. Die Mutti von Ashun wurde bald darauf krank und ist vor wenigen Monaten verstorben. Ashuns Vati, der selbst für nepalesische Verhältnisse recht schmächtig ist, arbeitet verdammt hart als Steinmetz. Er schleppt schwerste Steine und verarbeitet diese zu Mauern. Ich habe ihn mehrmals auf seiner derzeitigen Baustelle in der Nähe der Schule besucht, wo sich auch Ashun die meiste Zeit des Tages aufhielt.
Sein letzter Arbeitgeber hatte den Vater sogar um Lohn geprellt, so dass er nicht mal mehr seine Wohnung bezahlen konnte. Der Prinzipal der Schule hat Vater und Sohn zum Glück einen Raum zur Verfügung gestellt, damit die beiden nicht auf der Straße schlafen müssen.
Das Leid dieser beiden hat mich unendlich berührt und mich die ganze Zeit verfolgt. Nach etlichen Gesprächen mit dem Prinzipal konnte ich Sonderkonditionen aushandeln, um Ashun den Schulbesuch aus meinen eigenen Mitteln zu ermöglichen. Der Kung Fu Trainer hat mich dabei ebenso unterstützt und mir zugesichert, dass er die nötige Schulkleidung für Ashun organisieren will.
Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie aufgedreht der kleine Mann war, als ich ihm beim Abschied erzählt habe, dass er ab sofort in die Schule gehen kann. Um ihn anfangs noch nicht zu überfordern, wird Ashun ein paar Monate in die Vorschule gehen, wo die nepalesischen Kinder bereits schreiben, lesen und rechnen lernen. Sobald Ashun diese erste Hürde genommen hat, kann er in eine ‚vollwertige‘ Klasse aufsteigen und ggf. auch eine Klassenstufe überspringen, um bald zusammen mit gleichaltrigen Kindern lernen zu können.
Ich hab mich riesig gefreut, als mir heute Morgen sein Lehrer mitgeteilt hat, dass Ashun sehr talentiert ist, die Tests ganz gut bestanden hat und optimistisch auf seine kommende Schulzeit blicken kann.
Du schaffst das, kleiner Mann!!!