2010 – Zum Sonnenaufgang auf den Vulkan

Als ich bei meiner ersten Bali-Reise auf einer Tour den Vulkan „Gunung Batur“ gesehen habe, stand für mich fest: Da will ich hoch!

Bei meinen Recherchen am heimischen PC stellte ich fest, dass dies ein sehr aktiver Vulkan ist, welcher im Jahr 2000 zuletzt ausgebrochen ist, davor 1999, 1998, 1994… Kurz darauf las ich, dass die Warnstufe bereits erhöht wurde und man nur noch in Begleitung von erfahrenen Bergführern den Vulkan besteigen durfte. Da ist Eile geboten, dachte ich mir! Also stiefelte ich brav den ganzen letzten Sommer 2-3 mal pro Woche auf den Weifaer Berg, um die nötige Kondition zu bekommen. Das Ticket war schnell gebucht, mein Guide Ida wusste mittlerweile auch von meinem Plan, und so ging es im September wieder Richtung Bali…

Nach ein paar Tagen Akklimatisierung (für mich wichtig) und der Berechnung des günstigsten Zeitpunktes unter Berücksichtigung des Einflusses der Götter (für Ida wichtig) war es endlich soweit: Mein Rucksack war vollgepackt mit Wasser und Bananen, die Akkus für Kamera und Stirnlampe waren geladen und ich war hundemüde, weil ich vor Aufregung kein Auge zugemacht hab.

Ich legte noch schnell am Haustempel des Hotels ein paar Blüten für die Götter nieder, um sie milde zu stimmen und um eine gute Rückkehr zu bitten. Diese Geste ist in Bali Tradition und kein Fahrer würde den Zündschlüssel in seinem Auto umdrehen, wenn er nicht sein Opferkörbchen auf dem Armaturenbrett frisch gefüllt hätte.

Es regnete in Strömen, und das seit Stunden, als ich mich kurz vor 2 Uhr nachts mit Ida auf den Weg zum Basislager machte. Wenn es dort ebenso regnete, würde die Tour buchstäblich ins Wasser fallen, denn der Vulkanstaub verwandelt sich bei Regen in „Schmierseife“. Zum Glück waren unsere Bedenken umsonst, denn als wir nach knapp 2stündiger Fahrt am  Trekkinglager ankamen, hatten sich die Wolken verzogen. Die Formalitäten waren schnell erledigt und wir machten uns mit unserer Bergführerin Nyoman bekannt. Dabei erfuhren wir, dass noch 5 weitere Gruppen am Berg unterwegs waren.

Wir starteten gegen 4 Uhr morgens bei völliger Dunkelheit. So eine tiefe, samtschwarze Finsternis hab ich noch nie gesehen… Diese wurde nur von unseren Lampen zwei-drei Schritt weit erhellt. Die ersten zehn Minuten war der Weg noch relativ eben und auch gut als solcher zu erkennen. Doch bald merkte ich, wie es ständig bergauf ging… Ich hatte meine Lampe auf die Füße von Nyoman gerichtet, hinter mir ging Ida… Es ist ein eigenartiges Gefühl, wenn man nicht sieht, wo man hingeht, wenn man nicht weiß, was sich neben einem im hohen Gras oder Geröll für Tiere tummeln… man versucht, Geräusche einzuordnen, da ein knackender Ast, dort ein Rascheln im Gebüsch… Ganz ehrlich – ich wollte es gar nicht wirklich wissen 😉

Nach einiger Zeit kamen wir an einem kleinen Tempel an. Mein Guide Ida, welcher aus einer angesehenen Brahmanen-Familie stammt, hatte Räucherstäbchen und Opfergaben mitgebracht. Er hielt mit uns eine kleine Zeremonie ab, um den Göttern zu danken und um einen guten Weg zu bitten. Berge gelten in Bali generell als Sitz der Götter und werden von den Einheimischen entsprechend verehrt. Diese kurze Unterbrechung tat gut, für Körper und Geist gleichermaßen. Danach wurde der Weg immer beschwerlicher, es ging immer steiler nach oben und wurde stetig wärmer. An den Hängen aus schwarzer Vulkanasche wird die Sonnenwärme besonders gut gespeichert und brachte mich auch in dunkelster Nacht zum Schwitzen.

Mittlerweile musste ich auch meine Hände zum Klettern und Festhalten mit benutzen. Ab und zu löste sich ein Stein oder Geröll unter unseren Füßen und ich hörte nur, wie es irgendwo in der Tiefe verschwand. Jetzt war ich tatsächlich froh, dass der Lichtkegel der Lampe nicht allzu weit reichte… In dieser extremen Situation ging mir Vieles durch den Kopf… Ich konnte weder sehen, wo wir gestartet waren noch wie weit es bis zum Ziel ist. Wie teile ich mir meine Kraft ein? Ich konnte nicht sehen, was rechts und links des Weges ist. Was passiert, wenn ich abrutsche oder daneben trete? Ganz prakmatische Fragen, aber auch sehr persönliche, besinnliche und spirituelle Gedanken, die ich vielleicht in jeder anderen Situation als kitschig oder sentimental abgetan hätte. Hier jedoch allein in völliger Dunkelheit, am andern Ende der Welt, hatte dies alles seine Berechtigung…

Plötzlich merkte ich, wie die Luft immer feuchter wurde und die Klamotten am Körper klebten. Mir wurde bewusst, dass wir gerade durch eine dicke Wolkenschicht stiegen. Eine letzte kurze Verschnaufpause und schon ging es weiter, denn ich wollte pünktlich zum Sonnenaufgang auf dem Gipfel stehen. Am Horizont zeigte sich bereits der erste Goldstreif und bot einen klitzekleinen Vorgeschmack auf das, was noch kommen sollte. Die letzten Meter vor dem Gipfel waren besonders hart, da die Luft nun doch dünner und die Atmung beschwerlicher wurde. Mittlerweile waren die anderen Gruppen auf Hörweite, so dass wir uns gegenseitig mit Rufen anspornen konnten.

Endlich on the Top! Fix und fertig, aber mit Glückstränchen in den Augen, sah ich den ersten Sonnenstrahlen entgegen… Was für ein Panorama tat sich vor mir auf!!! Ich sah im ersten Licht des Tages die Wolken unter uns… die Silhouette des Nachbarvulkans zeichnete sich langsam im Hintergrund ab… der Himmel veränderte im Sekundentakt sein Aussehen… Es war einfach unbeschreiblich und faszinierend!

Der schönste Sonnenaufgang meines Lebens in 1700m Höhe!!!

Mit einem Mal schlug das Wetter um, dichter Nebel zog auf und die Temperatur sank ab. Also Jacke an, Kapuze auf und erstmal frühstücken. Zu sehen gabs jetzt eh nichts mehr, dafür jedoch zu hören. Und zwar Deutsch – ein Paar aus Radebeul… Die Welt ist ein Dorf!

So schnell, wie der Nebel aufgezogen war, so schnell verzog er sich auch wieder und ich traute meinen Augen nicht, als ich eine riesige Horde Affen um uns herum sah. Jetzt hieß es nur noch Kamera und Rucksäcke festhalten, denn das dreiste Volk nahm alles in Besitz, was nicht niet- und nagelfest war. Dass sie sich über unser Frühstück hermachten, war noch zu verschmerzen In der Zwischenzeit stieg die Sonne höher und tauchte den Berg in ein warmes goldenes Licht.

Die anderen Gruppen machten sich nun an den Abstieg. Da fragte mich Nyoman, ob ich noch fit genug bin für eine „Specialtour“… Na sicher doch! Bis jetzt hatte ich nur den Ausblick vom Krater auf die Umgebung genossen. Nun wollte ich auch wissen, wie es in einem Krater aussieht. Es war ein beklemmendes Gefühl, direkt am Kraterrand zu stehen und in das „Höllenloch“ hinein zu schaun. Mit 70 m Durchmesser ein gigantischer Schlund! Für mich war besonders überraschend, dass es dort drin eine üppige Vegetation gab, zumal der letzte Ausbruch noch keine 10 Jahre zurücklag. Die feuchte Luft aus den Wolken, die ständige Sonne von oben und nicht zuletzt die Hitze aus dem Inneren des Vulkans ließen die Pflanzen nur so wuchern.

Wir stiegen dann noch einige Meter in das Innere des Kraters ein, um zu einer Höhle zu gelangen. Dort gab es einen kleinen Schlot, aus dem Wasserdampf austrat, welcher an der Höhlendecke kondensierte und in die darunter gelegten Flaschen tropfte. Wir  fanden kleine Opfergaben und Räucherstäbchen, welche an dieser „Heiligen Quelle“ niedergelegt wurden. Auch hier hielt Ida eine kleine Zeremonie ab, wir wuschen unsere Gesichter mit dem warmen Quellwasser und tranken einen Schluck.

So gestärkt machten wir uns auf den Rückweg aus dem Krater, wo eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit in Verbindung mit tropischer Temperatur herrschte. Der Gipfel selbst war jedoch wieder von Wolken umhüllt, so dass die wärmende Sonne nicht zu uns durchdringen konnte und wir froren. Da half nur Bewegung und so ging es auch schon über schmale Grate und Lavafelder von einem Krater zum anderen. Mittlerweile hatte die Sonne den Kampf gegen die Wolken gewonnen und brannte gnadenlos vom Himmel. Es wurde Zeit für ein zweites Frühstück. Wir „kochten“ Eier in einem der zahlreichen dampfenden Feuerlöcher und genossen das atemberaubende Panorama, welches sich zu unseren Füßen erstreckte.

Der Abstieg war recht abenteuerlich und führte uns immer wieder an kleineren Kratern und Lavafeldern vorbei. Teilweise tasteten wir uns vorsichtig über Geröllfelder, teilweise rutschten wir durch knietiefen Lavasand nach unten. Dabei mussten wir aufpassen, dass wir nicht zuviel Schwung bekamen und über die Kante schlitterten. Am Fuß des Vulkans hielten wir noch mal an einem Tempel inne, um uns bei den Göttern für ihren Schutz zu bedanken.

Das letzte Stück der Tour bis zum Trekkinglager war einfach nur noch quälend… Meine Füße waren angeschwollen, die Haut mit Lavastaub bedeckt, welcher sich unter der sengenden Sonne mit dem Schweiß zu einem tollen MakeUp verwandelt hatte, der Rucksack wurde immer schwerer… Ich wollte nur noch eins – Duschen! Als wir dann allerdings im Lager angekommen waren, waren die Strapazen des Tages schnell vergessen.

Ein letzter Blick auf den Vulkan, unglaublich, dass ich da vor ein paar Stunden noch oben stand  – Terima kasih, Tuhan!!!

Urlaub 2010 065

 

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