Eigentlich wollte ich am Tag nach der Laxmi Puja eine Menge erledigen, wenn ich schon mal in Kathmandu war. Aber ich musste meine Pläne spontan ändern. Steckte mir doch ein mächtiger Kater in den Knochen, der erstmal vertrieben werden wollte.
Am Abend war ich dann wieder fit wie ein Turnschuh. Das war auch wichtig, denn am vorletzten Tag des Tihar-Festes geht es besonders turbulent zu. Ähnlich wie die Sternsinger zu Weihnachten ziehen hier Gruppen von Haus zu Haus, um den jeweiligen Hausbesitzern Segen zu bringen. Allerdings ist dieser Brauch hier in Nepal von ganz anderem Kaliber! Da werden riesige Lautsprecherboxen durch die Gegend geschleppt, Mikrofone mit endlos langen Kabeln strangulieren fast die Sänger, große Percussion-Boxen und Gitarren mit Verstärker bilden hauptsächlich das Orchester.
Ebenfalls ähnlich wie zu Weihnachten gibt es ganz besondere Lieder, die nur zu Tihar und ganz besonders an diesem einen Abend gesungen werden – die ‚Deusi Bhailo‘ Songs. Ich liebe diese rhythmische Musik und könnte sie das ganze Jahr hören. Aber da würde man mich wahrscheinlich hier in Nepal genauso für bekloppt erklären, als wenn jemand in Deutschland zu Ostern ‚Stille Nacht‘ singt. Also muss ich zusehen, dass ich an diesem einen Abend wieder genug Futter für meine Ohren bekomme, so dass es für den Rest des Jahres reicht.
Am frühen Abend trafen wir uns alle vor dem Eingang zum Hotel, denn am ‚eigenen Haus‘ wird gestartet. Anup, Sabir und Manoj hatten ihre Instrumente dabei und begannen mit ihrer Performance. Später gesellte sich noch Alice aus Irland mit ihrer Geige dazu. Immer mehr Menschen scharten sich um unsere Gruppe, sangen und tanzten mit.
Nach etwa einer Stunde ging es dann mit dem hoteleigenen Kleinbus in eine Ortschaft außerhalb Kathmandus, wo etliche Freunde und Familienmitglieder der Hotelcrew wohnen. Wir waren eine echt bunt gemischte Truppe – Gäste aus Australien, Chile, Frankreich, Irland und Amerika begleiteten uns. In der Siedlung wurden wir schon freudig empfangen. Wir bauten unsere Anlage auf und begannen zu musizieren und zu tanzen. Anfangs waren nur eine Handvoll Leute auf der Straße, die anderen hörten uns von ihren Fenstern aus zu. Aber unsere Musiker verstanden ihr Handwerk, so dass wir innerhalb von kurzer Zeit an die Hundert ‚Mitmacher‘ hatten. Es war der absolute Wahnsinn! Es war nicht mal mehr nötig, von Haus zu Haus zu ziehen, denn die Bewohner wollten nicht warten und kamen zu uns. An einer Ecke hatte noch eine kleine, aber wirklich winzig kleine Teestube geöffnet, wo wir zwischendurch immer mal wieder unsere Stimmen ölen konnten.
Auch wenn es in Nepal noch so chaotisch zugeht – um 10 ist Zapfenstreich! Zumindest in der Stadt und in größeren Siedlungen. Und damit dies ja auch eingehalten wird, bekamen wir alsbald Besuch von der Polizei. Mit Gewehr und Bambusknüppel bewaffnet versuchten sie unser Fest abzubrechen. Aber so einfach lassen wir uns nicht bremsen, wenn wir einmal in Fahrt sind. Es wurde verhandelt und um jede Minute gefeilscht. Nachdem dann jedoch irgendwann Verstärkung angefordert wurde, mussten wir uns wohl oder übel geschlagen geben. Die Nacht im eigenen Bett ist mit Sicherheit erholsamer als in einer zugigen Zelle.