Dieser Tag wird in der westlichen Welt gern als Unglückstag bezeichnet – oft zu Unrecht. Passieren doch die tollsten Dinge gerade dann, wenn man nicht damit rechnet. Für mich war der letzte Freitag tatsächlich ein Glückstag.
Erinnert ihr euch noch an Lobsang, den Mönch? Vor einem Jahr traf ich ihn in Kathmandu. Er war unterwegs zum Kailash, dem Heiligsten aller Berge, und wollte diesen dreimal umrunden. Als ich sah, in welch bescheidenen Schlappen er diesen Pilgerweg absolvieren wollte, habe ich ihm spontan meine heißgeliebten roten Sneakers geschenkt.
Auch für mich ist der Kailash ein Traum, den ich mir gern irgendwann einmal erfüllen möchte. Aber ich bin auch realistisch genug um einschätzen zu können, dass es mir dazu momentan einfach an körperlicher Fitness mangelt… von der spirituellen Stärke, die selbst alte und gebrechliche Menschen auf diesen Pilgerpfad treibt, ganz zu schweigen.
Umso schöner war für mich der Gedanke, dass genau die Schuhe, die mich seit vielen Jahren auf meinen Reisen begleiten, jetzt für mich ein Traumziel erreichen. Die kleine Buddhafigur, die mir Lobsang damals zum Abschied schenkte, erinnert mich ständig an diese wunderbare Begegnung. Ich fragte mich zwischendurch immer wieder, ob es Lobsang überhaupt geschafft hat, die tibetische Grenze zu überqueren – ob er die Strapazen des Weges überhaupt verkraftet hat – ob er es wieder zurück geschafft hat und nicht in chinesischer Gefangenschaft gelandet ist…
Die Antwort auf diese Fragen bekam ich am letzten Freitag, dem 13! Bevor ich wieder hoch ins Dorf fuhr, spazierte ich noch eine kleine Runde durch Thamel. Und ausgerechnet an der gleichen Ecke, an der wir uns vor genau 11 Monaten verabschiedet hatten, traf ich Lobang wieder. Wir waren beide total überrascht, hatten wir doch mit einem Wiedersehn nie und nimmer gerechnet. So klein ist die Welt!
Lobsang war tatsächlich dreimal um den Kailash gelaufen, davon einmal in Prostration. Was das bedeutet kann nur jemand zumindest ansatzweise ermessen, der diese rituellen Niederwerfungen schon einmal selber praktiziert hat. Der Mönch zeigte mir seine davon zerschundenen Beine und sein vom gleißenden Schnee halb erblindetes Auge. Mir fehlten echt die Worte! Aber Lobsang strahlte einfach nur und freute sich dermaßen über unser Wiedersehn, dass er mir seine Segensschnur, die er vom Kailash mitgebracht hat, spontan über den Kopf streifte. Ich war total gerüht und musste ganz schön schlucken.
Wie gern hätte ich Lobsang ein paar Rupien oder etwas zu Essen gegeben, aber ich hatte leider kein Geld einstecken. Ich wollte mich deshalb mit ihm zu einem späteren Zeitpunkt verabreden, aber er winkte ab. Wenn wir uns noch einmal begegnen sollen, dann wird dies auch ohne eine Verabredung funktionieren – so seine Überzeugung, und mittlerweile auch meine eigene.
Hier könnte ihr den ersten Teil dieser Geschichte lesen: Die getauschten Schuhe