Manchmal könnt ich schier aus der Haut fahren, wenn mir Bekannte vor der Abreise einen ‚Schönen Urlaub‘ wünschen und fragen ‚Was hast du denn geplant?‘ Dabei meinen sie es wirklich nur gut. Die wenigsten wissen, wie der nepalesische Hase läuft. Woher auch?! Deshalb erzähle ich heute einfach mal, wie mein Tag abgelaufen ist.
Während des Frühstücks habe ich mich mit Mitarbeitern einer amerikanischen Hilfsorganisation unterhalten und Erfahrungen ausgetauscht. Danach mussten etliche Mails beantwortet werden, die in den letzten Tagen aufgelaufen waren. Weil beim Druck der neuen Vortrags-Plakate etwas schief gelaufen war, musste ich auch noch mit der Druckerei telefonieren. Gott sei Dank sind die Telefongebühren nach Deutschland erschwinglich. 10 Minuten kosten etwa einen Euro!
Gegen Mittag hatte ich ein ganz besonderes Date. Durch eine Zuhörerin eines meiner Vorträge war ich mit Billi Bierling, einer exzellenten Bergsteigerin und Journalistin, in Kontakt gekommen. Billi ist die Nachfolgerin der legendären Liz Hawley, der Himalaya-Chronistin. Ich habe schon seit Langem deren Arbeit verfolgt und freute mich deshalb umso mehr, dass wir uns nun heute auch persönlich kennengelernt haben. Darüber berichte ich aber mal ausführlich in einem extra Blogeintrag.
Nach diesem Treffen wollte ich eigentlich den tibetischen Arzt meines Vertrauens aufsuchen, da ich bereits mit einem bösen Husten angereist war. Fehlanzeige! Die nepalesischen Ärzte streiken gerade. Es wird nur eine minimale Notversorgung aufrecht gehalten. Wie lange der Streik noch gehen soll und was die Gründe dafür sind, konnte ich nicht erfahren. Ein Grund, so munkelt man, ist eine neue Auflage der Regierung. Danach müssen die Ärzte bei Todesfällen nach der Behandlung eine hohe Strafe an die Familie des Verstorbenen zahlen. Kein Wunder, dass sich die Doktoren erstmal durch einen zünftigen Streik aus der Affäre ziehen. Würde ich wahrscheinlich auch machen. Ich kann mir vorstellen, dass die schamanischen Heiler in dieser Zeit Hochkonjunktur haben.
Ein weiterer Streich der Regierung hat mir eine neue Überraschung verschafft. Als ich gestern meine nepalesische Sim-Karte in mein Handy eingesetzt habe, zeigte mir das System eine Sperre an. Im Handyshop erklärte man mir, dass es nun eine neue Regelung für Prepaid-Karten gibt. Nach 6 Monaten wird die Nummer abgeschaltet, wenn sie nicht genutzt wird. Okay, das ist wohl auch bei uns in Deutschland so, aber bisher hat das in Nepal immer prima funktioniert und ich hab meine Nummer über 5 Jahre retten können. Also musste ich mir jeweils eine neue Karte für mein Handy und das meiner Reisegruppe kaufen. Das geht aber nur, wenn man sich mit seinem Reisepass ausweisen kann. Den hatte ich aber nicht dabei – immer nach dem Motto ‚Was man nicht dabei hat, kann man auch nicht verlieren‘. Glücklicherweise kenne ich den Handy-Mann schon seit einigen Jahren. Weil ich wirklich dringend mein Telefon brauche, um alles zu organisieren, konnte ich die Karte gestern schon mitnehmen. Aber ich musste heute nochmal hin, um die erforderliche Passkopie nachzureichen.
Diesen Weg verband ich gleich mit einem Abstecher zu Tashi. Er hatte mir gestern Hoffnung gemacht, dass er den Mechaniker vielleicht dazu bewegen kann, mir mein Moped doch noch heute auszuhändigen. Diese Hoffnung erfüllte sich leider nicht. Es wäre doch zu schön gewesen! Also weiter zu Fuss…
Mir war eingefallen, dass die Hotelzimmer immer erst ab 14 Uhr bezogen werden können. Das wollte ich meinen Klienten, die morgen anreisen, nicht zumuten. Schließlich haben sie bereits eine mehr als 24stündige Anreise hinter sich, wenn sie am frühen Morgen in Kathmandu landen. Sie sollen die Möglichkeit haben, sich sofort frisch zu machen und etwas ausruhen zu können. Also ging es als nächstes nochmal zu dem Hotel, wo wir die nächsten Tage verbringen werden. Nach harten Verhandlungen konnte ich den Hotelmanager dazu bewegen, die Zimmer bereits ab 9 Uhr bereitzustellen. Im Gegenzug sollte ich mich jedoch um die Abholung vom Flughafen kümmern. Das krieg ich hin! So dachte ich in meinem jugendlichen Leichtsinn. Dabei habe ich nicht beachtet, dass morgen der Haupttag des Dashain-Festes ist. Die Feierlichkeiten in den Familien beginnen meist schon in den frühen Morgenstunden. Es wird nahezu unmöglich sein, zu dieser Zeit ein Taxi zu erwischen, denn auch Taxifahrer wollen feiern.
Die ersten Tropfen eines zünftigen Monsunregens klatschten schon auf die Straße, als ich mich in das Geschäft meiner Freunde Sabin und Amit rettete. Sie betreiben neben einem Gästehaus auch eine kleine Reiseagentur und haben die nötigen Kontakte. Sabin sah mir meine Verzweiflung schon an und organisierte nach einigen Anrufen einen Fahrer, der mich morgen früh zum Airport und danach mit meinen Gästen ins Hotel chauffiert. Ich musste zwar auf den normalen Fahrpreis nochmal einen kräftigen Feiertagszuschlag drauflegen – aber was solls!
Währenddessen schauten die Fotografen Chandra und Arsin im Gästehaus vorbei. Ich hatte die beiden vor 3 Jahren durch meinen Sohn kennengelernt. Die Überraschung und Wiedersehensfreude war riesig. Mittlerweile war es finster geworden und der Regen hatte sich zu einer Sintflut entwickelt. Die Straßen standen unter Wasser. Heimgehen war sinnlos. Und so lud uns Sabin kurzerhand zum Essen ein. Von uns unbemerkt hatte er in der Küche mehrere Teller mit Leckereien angefordert, die nun aufgetafelt wurden. Herrlich – am Ende des Tages wird alles gut!
Oder etwa doch nicht? Während ich dies alles niedergeschrieben habe, musste ich im eigenen Saft schmoren. Der Ventilator, der die schwül-warme Luft im Zimmer wenigstens ein bisschen in Bewegung halten sollte, ist nun auch noch ausgefallen. Mit ‚schönen Urlaub‘ und ‚alles nach Plan‘ hat das nun wirklich nichts zu tun!
Und nun ‚Shuba Ratri‘ – Gute Nacht! In 6 Stunden klingelt mein Wecker…