Wie Weihnachten!

Es ist tatsächlich eine Stimmung wie bei uns zu Weihnachten, wenn Buddhisten und Hinduisten gemeinsam in ganz Nepal das Lichterfest Tihar begehen.

Die Feierlichkeiten ziehen sich über 5 Tage hin, wobei jeder Tag eine ganz besondere Bedeutung hat. Am ersten Tag werden die zahlreichen Krähen geehrt, indem auf den Dächern der Häuser Schalen aus Bananenblättern mit verschiedenen Leckereien für die Vögel aufgestellt werden.  Diese Vögel gelten als Symbol der Trauer und Boten des Todes  und sollen durch die Gaben besänftigt werden.

Hunde genießen im ganzen Land ein hohes Ansehen, da sie als Wächter des Tores zur Unterwelt betrachtet werden. Am zweiten Tag wird diesen Tieren, egal ob Hof- oder Straßenhund mit roter Farbe eine Tikka auf die Stirn gezeichnet und eine Kette aus leuchtend gelb-orangenen Blüten umgehängt. Ich kann mir das Schmunzeln nicht verkneifen, wenn ich eine Gang von würdevoll einhertrottenden Straßenhunden sehe, die alle derart geschmückt sind.

Kühe stehen in der hiesigen Religion für Wohlstand und Reichtum und genießen am dritten Tag des Festes eine besondere Verehrung. Ebenso wie die Hunde bekommen diese Tiere heute eine Tikka und eine Blütenkette verpaßt, oft jedoch sogar eine gelb-rote Ganzkörperbemalung. Wer bis heute sein Haus noch nicht geschmückt hat, holt dies spätestens jetzt nach. Lichterketten und Blütengirlanden zieren Häuser und Geschäfte, Öllampen werden in den Fensternischen entzündet und vor den Häusern sieht man farbenfrohe, kunstvolle Mandalas. Diese liebevoll gestalteten Gebilde aus Farbpulver und Blütenblättern sollen Laxmi, die Göttin des Wohlstandes, in das Haus führen, um da ihren Segen wirken zu lassen.

Am frühen Abend wird in jedem Haus eine Puja (Segenszeremonie) gefeiert, indem nach festgelegtem Ritual verschiedene symbolträchtige Dinge wie Speisen, Räucherstäbchen, Blüten und Öllampen in der Mitte des Mandalas geopfert werden. Die dadurch geweihten Speisen werden dann gemeinsam verzehrt. Es fasziniert und berührt mich jedesmal aufs Neue, wenn ich  einer derartigen Zeremonie beiwohnen darf.

Aber auch der Spaß und die Fröhlichkeit kommen nicht zu kurz. Schon bald sind die Straßen und Gassen erfüllt von den typischen Deusi-Bhailo-Gesängen. Diese werden von umherziehenden Kinder- oder Musikantengruppen dargeboten, um den Familien Glück und Wohlstand für ihr Haus zu wünschen. Die Familien bedanken sich dafür mit Gaben wie Süßigkeiten, Früchten oder auch Geld. Und dann geht das Spektakel richtig los! Hindi-Songs und Sherpa-Musik, Gesangseinlagen und Tänze animieren zum Mitmachen. Die Menschen treffen sich auf Straßen und Plätzen zum Feiern. Die Jugendlichen genießen heut eine besondere Ausgelassenheit während die Älteren dem lustigen Treiben milde gestimmt mit den Gedanken an die eigene Jugend zuschauen.

Diese ganz besondere Stimmung währt den ganzen vierten Tag durch. Der fünfte Tag bildet den Höhepunkt des Festes. Die miteinander verwandten Familien besuchen sich gegenseitig, um miteinander zu essen und die Bhai-Tikka zu zelebrieren. Dieser besondere Segen wird von den Frauen und Mädchen an ihre jüngeren Brüder verteilt. Die Tikka selbst besteht aus 7 Farben. Diese stehen für die Energiezentren, die 7 Chakren im Körper, und sollen diese in Balance bringen. Die Brüder bekommen neben verschiedenen Naschereien dazu noch einen Topi, die traditionelle Kopfbedeckung der Männer, überreicht, welcher als besonderer Segen mit Blütenblättern gefüllt wird. Sie bedanken sich bei den Schwestern ebenfalls mit einer Segnung.

Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, so wurden ‚heilige‘ Feste wie Ostern und Weihnachten immer recht streng begangen. Hier beeindruckt mich vor allem die Ausgewogenheit zwischen Ernsthaftigkeit und Fröhlichkeit. Da muss nicht alles perfekt sein, sondern einfach nur von Herzen kommen! Es wird bei dieser Zeremonie mit Öllampen und Blüten, mit Farbpulver und Reisgebäck in verschwenderischer Fülle umgegangen, so dass die Zimmer danach aussehen, wie ein Schlachtfeld. Aber das stört hier keinen, Hauptsache, man ist besammen und hat eine gute Zeit. Daran kann man sich wirklich nur ein Beispiel nehmen.

Und auch diesmal fand das Festmahl in meinem Zimmer statt. Ich muss gestehn, dass mir das anfangs gar nicht so recht war, da ich noch immer ziemlich schlapp und fiebrig war und mich gern etwas ausgeruht hätte. Aber dem liebenswerten Charme der Familie, die mich so herzlich aufgenommen hat, kann ich mich einfach nicht entziehn. Also lass ich mich einfach nur mit ihnen treiben und geniese dieses Fest voller Dankbarkeit.

 

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