Was für ein imposantes Bild! Mitten in Kathmandu standen dichtgedrängt mehrere Hunderte Motorradfahrer auf einer Verkehrsspur. Polizisten hatten diese mit dicken Seilen abgesperrt und fuchtelten wild umher, um den restlichen Verkehr halbwegs zu regeln. Wie gern hätte ich davon ein Foto gemacht und nachgefragt, was es mit dieser ‚Versammlung‘ auf sich hat. Aber auf der verbleibenden Spur gab es keine Chance, weder zum Ausscheren noch zum Anhalten. Also musste ich mit dem Strom mit’schwimmen‘.
Einige Straßen weiter das gleiche Bild. Ich konnte beim Vorbeifahren nicht erkennen, was hier los ist. Tashi klärte mich dann auf und legte mir ans Herz, meinen Scooty nochmal voll zu tanken und nach Möglichkeit noch einen Kanister zu füllen. In den nächsten Tagen wird es kaum noch Sprit geben.
Vor wenigen Tagen trat die neue Verfassung in Kraft. Was für die meisten Nepalesen ein Grund zu Hoffnung und Freude ist, gefällt den Indern überhaupt nicht. Bisher hatten diese Narrenfreiheit in Nepal und haben sie auch ungeniert ausgenutzt. Nun wurden viele Angelegenheiten und Abläufe wie z.B. die Nutzung der Wasserkraftwerke neu geregelt. Indien hält nun seinerseits dagegen und dreht uns zwar nicht den Wasser- sondern den Benzinhahn zu.
Normalerweise kommt der Sprit mit Tankschiffen von den Emiraten nach Indien und wird hier in die lustig bunten Tanklaster umgefüllt. Von da aus geht es dann quer durchs Land, über die Grenze und dann auf den abenteuerlichen Straßen Nepals weiter bis zu den Tankstellen. Jetzt geht jedoch gar nix mehr. Die Inder weigern sich, die Ladungen zu löschen, geschweige denn, sie nach Nepal zu transportieren. Dass dadurch unzählige Truck-Fahrer ihren Job verlieren, ist den indischen Strippenziehern egal. Hauptsache sie zeigen Nepal mal so richtig den Stinkefinger. Strafe muss sein.
Wie lange diese Situation anhalten wird, weiß keiner. Aber Nepal hat wohl schon in China um Beistand gebeten. Vielleicht dauert es nicht so lange, bis der Sprit aus der anderen Richtung wieder fließt. Bis dahin heißt es aushalten und haushalten.
Ich habe ja schon gelernt, mit Stromausfällen und Wassermangel umzugehn, warum nicht auch noch mit diesem Engpass. Also dehnte ich meinen Besuch bei Tashi nicht allzu lange aus und machte mich auf dem Heimweg auf die Jagd nach Sprit. Es war hoffnungslos! Viele Tankstellen hatten schon dichtgemacht, da war nichts mehr zu holen. An den wenigen verbliebenen Tankstellen drängten sich Massen von Zweiradfahrern, Autos standen in kilometerlangen Schlangen am Straßenrand. Ich hätte wohl einen Schlafsack gebraucht, bis ich an der Reihe gewesen wäre.
Ein paar Tropfen sind ja noch im Tank. Von meiner jetzigen Bleibe aus geht es nach Kathmandu bergab, so dass ich zur Not das letzte Stückchen rollen kann.