Jubel, Trubel, Heiterkeit

Heut weiß ich echt nicht, wo ich anfangen und wo ich aufhören soll mit meinem Bericht. Das war ein Tag, da kann man Drei draus machen. Also nehmts mir nicht übel, wenn es bissel konfus wirkt. Ich bin es auch noch!

Am Dienstag Abend bekam ich eine Einladung zu einem Festprogramm in die Panchakanya Schule. Dieser Einladung wurde auch nochmal auf Facebook Nachdruck verliehen. Die Nepalesen sind ja nicht gerade für ihre Pünktlichkeit berühmt. Wahrscheinlich fühle ich mich ihnen schon deshalb so verbunden. Der Zusatz ‚sharp 10 a.m.‘, also pünktlich 10 Uhr, amüsierte mich deshalb besonders.

Also machten wir uns am Mittwochmorgen beizeiten auf den Weg nach Budhanilkantha. Unterwegs bekam ich eine weitere Einladung zu einem kleinen Festprogramm anlässlich des Dashain-Festes in die Bal Bikas Schule für 13 Uhr. Okay, das sollte doch zu schaffen sein! Unterwegs kauften wir noch kiloweise Süßigkeiten ein und waren dann tatsächlich kurz nach 10 in der ersten Schule.

Dort ging es zu wie in einem Taubenschlag. Die kleinen Sänger und Tänzerinnen hatten alle ihre besten Kleider oder traditionelle Kostüme angezogen und rannten aufgeregt umher. Sie schminkten sich gegenseitig und die Mädchen flochten sich wunderschöne Frisuren. Die Lehrer waren nicht weniger aufgeregt, schoben Gestühl und Technik durch die Gegend und schrieen sich hochwichtige Informationen zu. Wir standen irgendwie immer im Weg und wurden kurzerhand ins Zimmer des Prinzipals verfrachtet, wo sich Stühle und Tische stapelten. Tony war schon etwas irritiert, als er mit einem Blick auf die Uhr feststellte, dass es bereits nach 11 war und sich das Chaos noch nicht mal ansatzweise gelichtet hatte. Ich beruhigte ihn, denn jeder, der schon mal hier war, weiß: ‚Nepal Time is Waiting Time‘.

Wir haben uns dann unsere Kameras geschnappt, um dieses bunte Durcheinander festzuhalten. Jetzt waren die Mädchen ganz außer Rand und Band und fühlten sich wie richtige Models. Es war so herrlich anzusehn, wie die kleinen Ladys vor der Kamera posten. Da gabs sogar nen kleinen Zickenkrieg, als das eine Mädchen unbedingt alleine auf ein Foto wollte.

Kurz nach um 12 war es dann endlich soweit! Nun galt es, in der relativ kleinen Aula einen guten Platz zu ergattern. Während die kleineren Kinder auf einer Matte Platz nahmen, saßen die Größeren hinten auf Bänken. Ich hatte mir das ursprünglich ganz einfach vorgestellt mit den Bonbons. Aber einfach gibts hier nicht! Also musste ich JEDEM der über 250 Kinder ein paar Bonbons persönlich überreichen. Eine Lehrerin assistierte mir und hielt die Tüte mit den süßen Kostbarkeiten. So kämpten wir uns Reihe für Reihe durch, bis auch das letzte Kind versorgt war.

Tony und ich mußten nun ganz vorn in der Ehren’loge‘ Platz nehmen. Dies war allerdings ein recht zweifelhaftes Vergnügen, da wir zwar recht nah an der Bühne, dafür aber auch direkt hinter dem Scheinwerfer und dem Lautsprecher saßen. Obendrein herrschte dort auch noch die geringste Luftzirkulation, so dass wir quasi im eigenen Saft schmorten. Das liebevoll gestaltete Programm lenkte uns jedoch recht schnell davon ab.

Die kleinen Künstler agierten mit Herzblut. Scheu oder Scham vor großem Publikum kennen diese Kinder scheinbar nicht. Wenn wirklich mal was daneben ging, wurde es so lange wiederholt, bis es geklappt hat.

Die Kulturtänze der verschiedenen ethnischen Gruppen wurden genauso lebhaft und farbenfroh dargeboten wie die traditionellen und Hindi-Pop-Songs. Jedoch alles mit einer Lautstärke, die vielleicht in den Kulturpalast in Dresden, aber nicht in eine kleine Aula mit katastrophaler Akkustik gepasst hat. Egal ob ein flotter Tanz oder ein ruhiges sentimentales Lied – die bunten Scheinwerfer mussten schließlich zeigen, dass sie was taugen und flackerten wie im Techno-Tempel.

Irgendwann gabs dann den unausweichlichen Stromausfall. Wir atmeten schon erleichtert auf ob dieser wohltuenden Situation für Augen und Ohren. Aber es dauerte nicht lange, da wurde der Generator aktiviert und das Spektakel nahm wieder Fahrt auf.

Die Zeit verging wie im Flug und ich schlich mich mal irgendwann nach draußen, um zu schaun, wie spät es ist. Ach du Schreck! Schon fast halb 3! Zudem waren noch etliche Anrufe von der anderen Schule auf meinem Handy eingegangen. Schuldbewußt rief ich zurück und erklärte die Situation. Da Verspätungen solcher Art der hiesigen Mentalität entsprechen, war das nicht weiter schlimm. Wir sollen uns Zeit lassen und gegen 3 Uhr da sein. Okay, so lange kann das Programm ja nicht mehr dauern. Aber weit gefehlt! Es war gerade die Hälfte rum und der Weg war noch weit. Kurzentschlossen wurden zwei Bikes klargemacht und wir wurden zur nächsten Schule chauffiert.

Dort war das Fest bereits im Gange, wurde aber bei unserm Erscheinen sofort unterbrochen, um die traditionelle Begrüßungszeremonie zu zelebrieren. Tony kannte dies bisher nur von meinen Bildern und Erzählungen. Nun bekam auch er einen weisse Begrüßungsschal, die Kata, und einem Blütenkranz umgehängt. Die Kinder waren außer Rand und Band und freuten sich riesig über das unverhoffte Wiedersehn.

Auch hier wurde Tanz und Gesang dargeboten, bis wir zum Höhepunkt mit auf die Bühne mussten und alles in einer herrlich lauten und ausgelassen Tanzorgie gipfelte. Da dies der letzte Schultag vor den Dashain-Ferien war, durfte ich jedem einzelnen Kind als Segenszeichen mit roter Farbe die Tika auf die Stirn zeichnen und ein rotes Blütenblatt auf den Scheitel legen. Für Tony wurde ein Stuhl bereitgestellt, wo er wie ein König Platz nehmen musste und so den Kindern die Süßigkeiten austeilen konnte.

Mir lief schon der Schweiß in Strömen übers Gesicht, die Hände waren voller roter Farbe, da ich mit deren Umgang noch nicht so geübt bin, die stickige Luft sorgte für Kopfschmerzen… aber es ging weiter! Nachdem die Kinder entlassen waren, gab es im Büro des Prinzipals noch ein Essen für uns. Ach, wie hab ich das vermisst – Kartoffel-Bohnen-Curry, Hühnerfleisch und Reisflocken. Und auch der typische Milchtee durfte nicht fehlen.

Und der Tag war noch lange nicht zu Ende. Im Anschluss daran ging es zu meiner Familie, die natürlich auch schon auf uns wartete. Hier konnte ich auch meinen neuen Sari anprobieren. Ich fühlte mich wie die Königin von Saba, als mich die Mutter und ihre drei Töchter gleichzeitig ankleideten und darin einwickelten. Ob ich das jemals alleine schaffen werde? Die Damen waren mit ihrem Werk überaus zufrieden und so mußte Tony seines Amtes walten und Erinnerungsfotos schießen. In der Zwischenzeit hatte die Mutter noch ein köstliches Mahl gezaubert, dem wir anstandshalber nicht absagen durften.

Nach über 9 Stunden zuckelten wir fix und fertig und mit übervollen Bäuchen im nicht minder übervollen Bus wieder zurück nach Kathmandu. Was für ein Tag!

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