Ein Road Movie

Pünktlich halb 8 stand meine Limouine parat. Mit meinem Fahrer Malik verstand ich mich vom ersten Moment an sehr gut. Deshalb ging er auch bereitwillig auf meine Bitte ein, mir das ungeschönte Indien zu zeigen.

Und das bekam ich auch gleich wenige Minuten später in aller Härte zu sehen. Der Schmutz und Unraut auf den Straßen ist das eine. Wenn man aber sieht, wie darin die Obdachlosen dahinvegetieren, so ist das eine ganz andere Sache. Der Verkehr im Stadtzentrum war das blanke Chaos. Ich war zwar überrascht von dem wirklich gut ausgebauten Straßensystem, aber wenn auf einem dreispurigen Highway sich die unterschiedlichsten Vehikel in mehr als 5 Spuren fortbewegen, jedes davon auch noch von der Hupe regen Gebrauch macht, dazwischen Fußgänger herumwuseln, da kann einem ganz schön schwindlig werden.

Über der ganzen Szenerie hing hartnäckig eine Dunstglocke, ein Gemisch aus Abgasen, Fabrikqualm und dem wetterbedingten  Nebel. Das Land zwischen Delhi und Kalka ist flach wie eine Schuhsohle und der Highway zieht sich schnurgerade da durch. Allerdings ist die Sicht oft so schlecht, dass man keine 500 Meter weit sehen kann. Die Landschaft selbst bot also wirklich kaum Interessantes. Getreidefelder wechselten sich mit kleinen Dörfern oder Industiegebieten ab. Was mich aber total fasziniert hat, ist das Leben auf dem Highway. Hier trifft man wirklich alles an, was 2 oder mehr Füße oder Räder hat. Eselskarren und Trucks, Fahrräder und Motorbikes, Fußgänger und Limousinen, Schafherden und Rikshas, TukTuks und Traktoren… alle in friedlichem Miteinander, chaotisch, aber rücksichtsvoll. Und natürlich auch größere Gruppen von wilden! Bullen, die auf der Suche nach Weidegründen durchs Land ziehen.

Malik hielt in einem Dorf an, um mir das typische Leben da zu zeigen. Hier trafen wir eine junge Frau, die mir durch ihr wunderschönes Lächeln aufgefallen ist. Ich fragte sie, ob ich ein Foto von ihr machen darf. Sie war ganz stolz drauf und lud uns spontan in ihr Haus zum Essen ein. Im Hinblick auf unseren noch sehr langen Weg mußten wir diese Einladung leider ausschlagen, genossen aber dankbar eine Cola und die angenehme Kühle in ihrem schönen Zuhause. Sie zeigte uns Bilder von der Hochzeit ihrer Tochter und stellte uns ihren Sohn vor. Wenn ich solch herzliche Gastfreundschaft erlebe, stelle ich oft beschämt fest, dass wir von diesen Menschen noch sooo viel lernen können.

Ein weiterer Zwischenstop war weniger erfreulich. Malik zeigte mir eine Ziegelei direkt am Highway. In glühender Sonne arbeiten Erwachsene wie auch Kinder auf einem riesigen Areal, wo sie in mühevoller Arbeit den Ton fördern und wässern, ihn in Formen pressen und diesen zum Brennen vorbereiten. Besonders berührt hat mich der Anblick einer kleinen Hütte, wo eine Mutter mit ihren 2 Monate altem Baby und weiteren Kindern Schutz vor der Sonne gesucht hat. Nach solchen Bildern konnte ich einfach nichts essen und bat Malik weiterzufahren, als er an einer Raststelle anhielt.

In der Zwischenzeit erreichte mich eine unerfreuliche Nachricht. Mit der Buchung meines Zugtickets war etwas schiefgelaufen. Es sind keine freien Plätze mehr verfügbar und auch die Warteliste für diesen Zug war mit über 40 Personen schon sehr lang. Ich meinte noch, dass ich nicht unbedingt einen Sitzplatz brauche und auch im Gang sitzen kann. Aber das gibts selbst in Indien nicht! Malik versuchte mich zu beruhigen, er wolle alles versuchen, um für mich ein Ticket zu organisieren, so dass ich am nächsten Tag mein Tagesziel erreiche. Er schlug mir vor, wenn ich schon mal hier in der Nähe bin, einen Abstecher zum berühmten ‚Rock-Garden‘ in Chandrighar zu machen. Davon hatte ich echt noch nix gehört! Meine Neugier war geweckt und etwas Ablenkung tat Not. Der Rock Garden ist ein riesiger Park, der nur aus recycletem Abfall besteht (Reissäcke, Matratzen, Geschirrscherben, Flaschen, Lumpen…). Davon werde ich euch aber die nächsten Tage mal separat berichten!

Als ich nach über zwei Stunden zurück am Auto war, hatte es Malik tatsächlich geschafft, mir ein Ticket für den Früh-Zug zu besorgen. An der Stelle muss ich mal erwähnen, dass hier zwar der Kauf eines Autos auch per Handschlag abgewickelt werden kann. Die Buchung eines Fahrticket jedoch ist eine umfangreiche administrative und bürokratische Prozedur, die für Ausländer nur mit Reisepass bewältigt werden kann. Das Ticket selbst füllt eine ganze A4-Seite, wo sogar Alter und Geschlecht angegeben ist. Ähnlich verwundert war ich bei der Abgabe des Visa-Antrages, als ich sogar die Namen meiner Eltern angeben mußte, obwohl beide leider schon verstorben sind. Ordnung muss sein im Chaos!

Es war bereits dunkel, als wir Panchkula erreichten und uns dort auf die Suche nach einer Unterkunft begaben. Die heutige ‚Luxus-Reise‘ mit Chaffeur hat mein Budget beträchtlich geschmälert, so dass ich beim Hotel nicht sehr wählerisch sein konnte. Augen zu und durch! Jedoch der Spruch auf dem Bettlaken bleibt mir in guter Erinnerung – ‚Have Fun!‘

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