So schön und bequem es auch ist, in der Geborgenheit einer nepalesischen Familie zu leben, so anstrengend und kontraproduktiv kann dies bisweilen auch sein. Wenn man sein Zimmer mit den Göttern des Haustempels und dem Notstromaggregat teilt, passiert es halt, dass nachts der Generator rattert und man früh um 6 schon durch Glockengeläut und Gebetsgemurmel geweckt wird, wenn die Familie am Altar ihre Puja zelebriert. Ganz abgesehen davon, dass man sich die einzige Toilette und Dusche mit sämtlichen Familienmitgliedern und deren zahlreichen Verwandten teilen muss und ‚spontane Geschäfte‘ nahezu unmöglich sind.
Wie heißt es so schön? Stillstand bedeutet Rückschritt!
Deshalb ist es Zeit für mich, das nächste Level anzugehen. Bereits bei meiner letzten Reise hatte ich mich nach einer geeigneten Wohnung in der Nähe zum Kinderhaus und der Bal Bikas Schule umgeschaut und war auch fündig geworden. Ein Traum!!! Ein großes Zimmer mit Dusche in einem neugebauten Haus. Der Blick von der Dachterrasse war einfach wundervoll und meine morgendliche ‚Rennstrecke‘ lag direkt vor der Haustür. Leider wurde daraus nichts, da der Hausbesitzer die Bude schon wieder verkauft hatte und der neue Besitzer alle Räume für seine Familie benötigt.
Meine Freude vor Ort hatten in der Zwischenzeit weitergesucht, leider ohne Erfolg. Es ist tatsächlich recht schwierig, in dieser Gegend etwas für einen Monat zu bekommen. Unter einem Jahr lässt sich verständlicherweise kaum jemand auf einen Mietvertrag ein.
Eine Bekannte von mir hat vor kurzem ein kleines Gästehaus eröffnet und bot mir ein Zimmer zu guten Konditionen bei sich an. Leider ist dies dermaßen abgelegen, dass es für meine Arbeit hier vor Ort momentan nicht in Frage kommt. Die Kosten für die erforderlichen Taxifahrten würden mein Budget in wenigen Tagen verbrennen.
Also muss ich meine Ansprüche nochmal überdenken. Was brauche ich? Ein Bett, einen Tisch, einen Gaskocher, Internetanschluss, warmes Wasser zum Duschen und die Möglichkeit zum Wäschewaschen. Und dies alles bitteschön in einer akzeptablen Gegend und Entfernung zu meinen Freunden. Ich will endlich richtig ankommen! Momentan steht noch ein Koffer mit Kleidung beim KungFu Master im Haus und eine Tasche mit Bettzeug und Technikkram bei einer Sherpa-Familie.
Gestern abend bekam ich überraschend einen Anruf von der Familie des Prinzipals. Sie sind unterwegs nach Kathmandu und wollen mir eine Wohnung zeigen. Ich war recht skeptisch, als ich mich zum vereinbarten Treffpunkt begab, aber anschauen kostet ja nichts. Es war bereits dunkel, als wir nach länger Fahrt durch ein Labyrinth von Gassen am Haus ankamen. Die einzige Orientierungsmöglichkeit war für mich der hellerleuchtete Swayambhu-Tempel, der hoch über der Stadt thront und diesem Viertel hier den Namen gab.
Das Haus selbst machte auf den ersten Blick einen recht guten und gepflegten Eindruck. Kein Kunststück im Finstern und bei fehlender Straßenbeleuchtung. Auf den 3 Etagen waren 6 Wohnungen untergebracht. Von der Bezeichnung ‚Wohnung‘ sollte man sich jedoch nicht täuschen lassen. Dies sind Mehrzweckzimmer, welche neben einer Schlafstätte auch eine kleine Küchenzeile beherbergen. Pro Etage gibt es eine Zelle mit Dusche und Klo.
Im oberen Stockwerk gab es einen kleinen Schlafraum, der ziemlich zugemüllt war und ein großes Zimmer, welches zwar alles hatte, was ich brauche, aber auch nicht gerade einen einladenden Eindruck machte. Der Staub auf der Küchenzeile war schon monatealt, ebenso die leeren Flaschen, die in den Zimmerecken herumlagen. Aber das sind ja Kleinigkeiten, denen man mit einem Müllsack und etwas Putzmittel zu Leibe rücken kann. Ebenso dem Schmutz in der Nasszelle.
Ein größeres Problem stellt für mich jedoch das fehlende Warmwasser und der nicht vorhandene Internetanschluss dar.
Mein Freund Dinesh entschuldigte sich für den Dreck und versprach mir, noch eine Putzfrau vorbeizuschicken. Diese Wohnung steht schon längere Zeit leer und wird nur sporadisch von einigen Familienmitgliedern genutzt, wenn sie in der Hauptstadt zu tun haben und eine Schlafgelegenheit brauchen. Was das Wasser betrifft, so würde er noch irgendetwas installieren lassen. Ich wollte gar nicht genau wissen, was das sein soll. Die Ermahnung, bei der Benutzung des Gaskochers doch die Fenster geschlossen zu halten, hat mir schon gereicht.
Vielleicht werde ich das Bett noch etwas tunen und mir nen Garderobenständer anschaffen müssen. Aber ansonsten konnte ich doch etwas Potential in dem Raum erkennen. Auf meine Frage, was denn der Spaß für die nächsten Wochen kosten solle, bekam ich eine völlig überraschende Antwort. NIX! Das Haus gehört der Familie des Prinzipals und weil ich schon so viel für die Kinder aus dieser Schule getan habe, kann ich diese Wohnung gern nutzen.
Ich war sprachlos! Was soll ich sagen? Einem geschenkten Gaul… In diesem Sinne – die Sache ist geritzt!