‚My home is my castle‘

 

Es regnet und regnet und regnet… und das nahezu ununterbrochen schon den dritten Tag. Die unbefestigten Straßen sind mit knöcheltiefem Matsch bedeckt, auf den asphaltierten Straßen hat sich der Müll vom Straßenrand verselbstständigt und bildet nun einen rutschigen Fahrbahnbelag.

Dies alles ist nicht gerade dazu geeignet, den für heute gefassten Plan in die Tat umzusetzen. Zusammen mit meinem Freund Tashi wollten wir ein abgelegenes Dorf besuchen, um die Kinder dort mit Schulmaterial zu versorgen. Bei unserer gestrigen Besprechung konnten wir mit einem Guide aus der Nähe dieses Dorfes telefonieren und haben erfahren, dass der Weg dahin durch Erdrutsche gefährdet ist. Also fällt unsere Tour im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser und wird zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt.

Also werde ich den heutigen Tag in meinem Zimmer verbringen und Büroarbeit machen. Das ist jedoch auch kein Vergnügen, da die Räume hier nicht beheizt werden und nach der langen Winterzeit so richtig durchgekühlt sind. Aber was solls, besser als im strömenden Regen mit dem Moped durch die Gegend fahren.

Apropos Zimmer, da kann ich euch ja gleich mal mein kleines Reich etwas näher vorstellen. Dieses liegt im Herzen von Dallu, einem recht alten und traditionellen Viertel in der Nähe des Swayambhu-Tempels, der sich hoch über die Stadt erhebt. Ich kann ihn sogar von meinem Bett aus sehen und werde morgens von den Mönchsgesängen aus dem nahegelegenen Kloster geweckt.

Ihr erinnert euch noch, als ich vor einer Woche diesen Raum zum ersten Mal betrat, war ich nicht gerade angetan von all dem Schmutz und Unrat. Als ich dann am Mittwoch mit Sack und Pack hier einzog, war zumindest der Unrat beseitigt worden. Es lag zwar überall noch eine dicke Staubschicht drauf, aber das sollte kein Problem sein. Ich hatte mich mit Putzmitteln und Lappen eingedeckt und wollte, bevor ich meine Sachen auspacke, erstmal klar Schiff machen. Aber ich hatte die Rechnung ohne die nepalesische Gastfreundschaft gemacht.

Mitten in meine Putzorgie platzte das wirklich nette Ehepaar, das im Erdgeschoss wohnt und für mich als Ansprechpartner dient, herein. Als die beiden sahen, dass ich saubermache, waren sie mehr als erstaunt. Aufgrund der unterschiedlichen Auffassungen von Sauberkeit war ihnen die Notwendigkeit wohl gar nicht bewusst. Sie schnappten sich einen der von mir bereits entsorgten Lappen und feudelten wild und ohne System drauflos. Dabei wurde mehr Staub aufgewirbelt als weggeputzt. Ich hab versucht, ihnen verständlich zu machen, dass es mir nichts ausmacht und dass ich immer einen Raum putze, wenn ich ihn beziehe. Aber das war ihnen egal. Mit dem gleichen schmuddeligen Putztuch, wie sie auf dem Fußboden etwas wegwischten, ging es dann fröhlich über die Arbeitsplatte der Küchenzeile.

Irgendwann gab ich auf und setzte mich nach draußen. Ich konnte mir das einfach nicht mehr mit anschauen. Es hatte keinen Zweck. Die beiden zogen das Ding bis zum bitteren Ende durch. Mittlerweile war es finster geworden und der Blick auf die Uhr verriet mir, dass es nur noch 10 Minuten Strom gab. Also wartete ich brav, bis die beiden fertig waren, bedankte mich artig für ihre großartige Hilfe und putze dann im Licht meiner Stirnlampe alles nochmal. Der Fußboden ist dermaßen abgenutzt und schnuddelig, dass mit dem Wischmop der Dreck nur notdürftig beseitigt werden konnte. Ich holte mir am nächsten Tag ein kleines Stück Auslegware, das mir nun als Bettvorleger dient und zumindest meinem Bett einen würdigen Rahmen verleiht.

Inzwischen habe ich mich gut eingelebt. Das Bett würde ich eher als Brett bezeichnen. Aber ich polster es mir jeden Abend mit allen verfügbaren Decken ab, dass ich mich wie die ‚Prinzessin auf der Erbse‘ fühle. Wohlweislich hatte ich mir schon bei meiner letzten Reise eigene Bettwäsche mitgebracht, da die Nepalesen keine Notwendigkeit sehen, die Bettwäsche zu wechseln, wenn jemand anderes darin schläft.

Küchenequipment ist ausreichend vorhanden. Toaster und Wasserspender, Kühlschrank und Gaskocher. Letzterer springt nicht an. Mir wurde auch schon gesagt, diesen nur bei geschlossenen Fenstern und Türen zu betreiben, aus welchem Grund auch immer. Die anderen Sachen stehen schon so lange gefüllt aber unbenutzt herum, so dass sich sicher schon Keime gebildet haben. Ist aber auch kein Problem. Salate kann ich mir selber zubereiten und die warmen Speisen hol ich mir einfach in einer der zahlreichen Garküchen in der Umgebung.

Ein großer Gartentisch dient mir als Büro und die dazugehörigen Stühle als Kleiderständer zum Wäschetrocknen. Die Türen werden mit einem dicken Holzbalken verriegelt, der quasi Schlüssel und Waffe gegen die herumturnenden Affen zugleich ist. Ansonsten schließt keines der Fenster und Türen wirklich dicht, so dass es hier mächtig zieht. Wahrscheinlich muss das so sein, um im Sommer die Klimaanlage zu ersetzen. Bei den jetzigen Temperaturen sorgt dies allerdings dafür, dass ich mit angerauhten Unterhosen (ich weiß, alles andere als sexy!) und Fleecejacke ins Bett gehe und auch tagsüber eine Jacke tragen muss.

Das wichtigste Utensil jedoch ist ein Notstromaggregat, das zumindest für zwei Stunden Strom für eine Glühlampe erzeugt. Nicht viel, wenn man bedenkt, dass es täglich 11 Stunden Stromausfall gibt. Dafür gibt es aber Pläne, so man seinen Tagesablauf, soweit es möglich ist, halbwegs danach einrichten kann. Zum Beispiel heute: von 5 bis 12 und von 16 bis 20 Uhr. Oder morgen: von 9 bis 16 und von 19 bis 23 Uhr. Das bedeutet, dass ich mir oft nachts den Wecker stellen muss, um in der einen funktionierenden Steckdose die verschiedenen Akkus für Handy, Laptop, Kamera etc. auszutauschen und aufzuladen. Mehrfachsteckdose bringt auch nix, da fliegen die Sicherungen raus.

Nebenan befindet sich noch ein kleiner Waschraum mit Toilette. Dort geht es zu wie im Taubenschlag. Im wahrsten Sinne des Wortes! Direkt vor dem stets offenen Fenster hat sich eine Taubenfamilie niedergelassen, die den ganzen Tag herumturteln. Irgendwie führt da auch das Abluftrohr aus der Küche vorbei, so dass sich die Geräusche bis in mein Zimmer übertragen, wenn die Tierchen darauf herumtrampeln. Bis ich das herausgefunden hatte, konnte ich so manches Mal nicht schlafen, weil es sich vor allem in der Nacht angehört hat, als wären Einbrecher am Werk.

Ich bin wirklich dankbar, dass der Eigentümer der Wohnung extra für mich einen Durchlauferhitzer installiert hat, damit ich wenigstens warmes Wasser zum Duschen habe. Über die dafür erforderliche abenteuerliche Konstruktion der Gasleitung möchte ich lieber gar nicht erst nachdenken!

Aber was solls – My home is my castle!

 

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