Laut, bunt und nass

 

Entweder man bleibt den ganzen Tag im Haus und hält Fenster und Türen geschlossen, oder man lässt sich kompromisslos auf das Spektakel ein. Dazwischen gibt es nichts, wenn in Nepal HOLI gefeiert wird.

Dieses ursprünglich hinduistische Fest wird stets am Tag des Fagu-Purnima, des Vollmondes im Monat Falgun, gefeiert und fällt in unserem Kalendarium meist auf Anfang/Mitte März. Mit diesem Fest der Farben wird der Sieg des Frühlings über die kalte Jahreszeit zelebriert. Und man kann sich drauf verlassen, dass es nun von Tag zu Tag wärmer wird.

Bereits einige Tage vorher sieht man im Gewühl der Gassen kleine Verkaufsstände mit dem begehrten und auch in der westlichen Welt mittlerweile bekannten Farbpulver sowie kleinen Plastiktütchen. Damit decken sich zumeist die Kinder und Jugendlichen reichlich ein, um für HOLI bestens gerüstet zu sein.

Die unterschiedlichen Farben haben eine bestimmte Bedeutung, z.B. Glück, Gesundheit, Geschäftserfolg usw. Die Menschen tauchen die Finger in die entsprechenden Farben, bestreichen damit das Gesicht ihrer Familienangehörigen und Freunde und drücken somit ihre guten Wünsche für diese Person aus. Aus der Tradition, sich gegenseitig mit Wasser, dem Quell des Lebens, zu bespritzen, sind mittlerweile regelrechte Wasserschlachten geworden.

Bereits im vorigen Jahr bin ich ausgiebig in den zweifelhaften Genuss dieser Sitte gekommen. Ich war noch nicht mal richtig aus dem Haus, da war meine rechte Körperhälfte schon klitschnass. Die Kinder hatten mir einfach vom Dach des Nachbarhauses einen Eimer Wasser über den Kopf geschüttet. So musste ich dann noch die halbstündige Busfahrt nach Kathmandu antreten, denn ich wollte HOLI unbedingt zusammen mit Freunden in der Hauptstadt feiern.

So etwas Verrücktes hatte ich noch nie erlebt. Da ist Karneval ein Kindergeburtstag dagegen. Tausende von Einheimischen und Touristen drängten sich in den engen Gassen Thamels. Erwachsene Menschen lieferten sich Straßenschlachten mit Wasserpistolen, die mit gefärbten Wasser gefüllt waren, überschütteten sich mit Parbpulver und Wasser. Ich musste mir zwischendrin ein T-Shirt kaufen, damit ich wenigstens die Oberteile wechseln und abwechselnd etwas von der Sonne trocknen lassen konnte. Zum Glück war es wenigstens über die Mittagszeit warm genug, um sich etwas aufzuwärmen.

Mehrere Schichten Farbe im Gesicht, die Haare verfilzt, die ursprüngliche Farbe der Klamotten war nicht mehr erkennbar… Wir sahen alle aus wie Schweine, wie glückliche Schweine, wohlgemerkt!

Das Kamerateam des nepalesischen Fernsehns hatte sein Equipment wasserdicht verpackt, um mitten aus diesem Chaos live zu übertragen. Einige Touristen hatten sich in Regencapes verhüllt, die ihnen jedoch von den Massen entrissen wurden. Entweder man macht mit, oder man bleibt daheim!

In Anbetracht der Temperaturen und meines langanhaltenden Hustens hatte ich mich gestern für letzteres entschieden. So konnte ich zusammen mit den Kindern des Hauses das Spektakel genießen und hatte die Möglichkeit, mich danach gleich in warme Sachen zu packen.

Bereits am frühen Morgen wurde ich von farbigen Wasserbomben geweckt, die vor meiner Tür explodierten. Irgendwann fanden wir uns dann auf dem Dach des Hauses ein, um von dort aus mit der gebunkerten Munition die Leute auf den Nachbarhäusern zu attackieren. Aber auch wir wurden von allen Seiten beschossen. Dabei wurde keine Rücksicht genommen, ob die Hausfrauen ihre Wäsche zum Trocknen draußen hatten. Und es hat auch keiner jemanden etwas übelgenommen. Irgendwann musste ich dann meine Kamera in Sicherheit bringen, sonst wäre diese auch noch ein Opfer der Farben und des Wassers geworden. Von überall her dröhnte Musik, wir tanzten dazu barfuß in den Wasserpfützen und genossen diesen herrlichen Tag. Schöner kann man den Frühling nicht willkommen heißen!

Genau wie im letzten Jahr wurden die Wasserschlachten erst beendet, als es kein Wasser mehr gab – auch nicht zum Duschen!

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