120 Stunden

Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, sondern zu viel Zeit, die wir nicht nutzen.

 

Was der alte Seneca schon vor 2000 Jahren wusste, gilt auch heute noch – mehr denn je. Man mag darüber streiten, ob 5 freie Tage viel oder wenig sind. Ich wollte sie auf jeden Fall nutzen und vor allem auskosten, von der ersten bis zur letzten Minute. Und dies an einem Ort, wo ich vorher noch nie gewesen bin.

Mein Auto war bepackt mit Zelt und Schlafsack, mit Strandmatte und Campingstuhl, Klamotten für jeden erdenklichen Anlass (… frau weiß ja nie!) und einem großen, gut gefüllten Picknick-Korb. Nach 9 Stunden Arbeit startete ich Punkt halb 7 abends in Richtung Norden mit dem Ziel, um Mitternacht am Warnemünder Leuchtturm eine Flasche Sekt zu köpfen.

Nach wenigen Kilometern fuhr ich auch schon in den ersten Stau, holte den Zeitverlust jedoch im Laufe der nächsten Stunden wieder auf, das wunderschöne Farbspiel der untergehenden Sonne stets vor Augen. Kurz vor Rostock jedoch kam der Supergau – ein auf der Autobahn querstehendes Polizeiauto mit flackerndem Blaulicht. Oh nein!!!! Einen kleinen Zeitpuffer hatte ich zwar noch, aber wer weiß, was die Strecke noch für Überraschungen bereithält. Die Standzeit nutzte ich, um meine Lungen und das Auto mit ‚Ostseeluft‘ zu fluten. Nachdem ein Schwerlasttransporter das Nadelöhr einer Baustelle passiert hatte, wurde die Straßensperre aufgelöst und ich konnte Gas geben…

Kurz vor Mitternacht hatte ich mein Ziel erreicht! WOOOOOW!!!!!  Ein herrliches Gefühl!!!

Es waren kaum noch Leute unterwegs. Auf einer Bank vor dem ‚Teepott‘ saßen noch zwei Jungs, bei denen ich mich nach einem Zeltplatz erkundigte. Schließlich wollte ich nach dem langen Arbeitstag und der Fahrt nicht gerade auf ner Parkbank schlafen.

Auf meine Frage hatten die beiden Zwickauer keine Antwort, waren sie selber erst vor kurzem in der Stadt angekommen. Sie konnten es kaum fassen, dass ich von der Arbeit direkt bis hierher durchgefahren war – ohne Plan, dafür mit einem Ziel. Manchmal muss man einfach ein bissel verrückt sein – darauf müssen wir anstoßen!

Während Tobi und Benny Bänke zu einer Tafel zusammenrückten, holte ich meinen Picknickkorb aus dem Auto. Brot und Oliven, Melone und Käse, Bruschetta, gekochte Eier und Sardinen sowie Rotwein und Sekt bildeten ein leckeres Buffet. Wir schlemmten und plauderten über Gott und die Welt und fanden schnell heraus, dass uns gemeinsame Interessen verbinden. Was für ein fulminanter Auftakt zu meiner kleinen Flucht aus dem Alltag!

Die ersten Streifen Morgenlicht waren schon am Horizont zu sehen, als wir uns verabschiedeten. Die Jungs fuhren weiter zu ihrer Unterkunft und überließen mir ihre Parkkarte. So konnte ich noch ein paar Stunden auf einem größeren Parkplatz im Auto schlafen, bevor ich mich einfach weiter treiben ließ.

Morgentoilette hinter offener Heckklappe, Hafenrundfahrt, ein Abstecher auf den Darß, Schiffe gucken, Steilküste erkunden, nette Bekanntschaften und Gespräche, Sandskulpturen bestaunen, leckere Fischbrötchen, Strandspaziergänge, ein Picknick an der Stadtautobahn, Stöckchenwerfen und Gassigehen, Bummeln und Shoppen am Alten Strom, ‚Probefahrt‘ mit nem fetten Ami-Car durch den Kiez, Sightseeing bei Nacht im Rostocker Hafen,  tägliche Abendspaziergänge auf der Mole, bis die Sonne vom Meer verschluckt wurde…

Ich wurde von der Sonne geküsst, vom Wind gestreichelt und von lieben Menschen willkommen geheißen – DANKE LEBEN!!!

 

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